„Bluetone“ – Große Kultur kommt ganz familiär aufs Land

10.07.2012 | Straubinger Tagblatt | Ute Wessels

Herbie Hancock und Al Jarreau am Straubinger Volksfestplatz?

Was unglaublich klingt, ist für die Menschen in der niederbayerischen Stadt seit zehn Jahren zur sommerlichen Gewohnheit geworden: Immer im Juli rollen internationale Jazz und Soulstars an und verwandeln ein Bierzelt in einen Jazzclub. „Bluetone Jazz an der Donau“ heißt das Festival, das seit 25 Jahren Künstler und Publikum gleichermaßen anzieht. Die Macher, Heinz Huber (69) aus Vilshofen und sein Sohn Ralph (46), leben mit „Bluetone“ ihr liebstes Hobby aus: gute Musik live auf der Bühne erleben. Vom 12. bis 15. Juli wird heuer in Straubing wieder gejazzt.

Der Jazzmusiker Klaus Doldinger (76) etwa ist dann schon zum dritten Mal dabei und freut sich auf das Gastspiel. „Wenn ich das Programm sehe, bin ich echt erstaunt. Wer da alles spielt, das ist schon ganz was Tolles. Lizz Wright, Trombone Shorty, Incognito das sind Leute, die man in München nicht so einfach zu sehen kriegt.“ Das Engagement der Veranstalter weiß auch Oberbürgermeister Markus Pannermayr zu würdigen: Die familiäre Atmosphäre sei das besondere Charakteristikum des Festes, und die Hubers der Motor.

Es war eine spontane Idee: 1985 besuchte der Strickwarenfabrikant und Jazzliebhaber Heinz Huber mit einem Freund ein Jazzfest im österreichischen Hollabrunn und beschloss: „Das können wir auch!“ Zwei Jahre später fand in Vilshofen erstmals „Jazz an der Donau“ statt. „Wir haben damals selbst ein Zelt aufgestellt und Würstel gebraten“, erinnert sich Ralph Huber. So spartanisch ging es los. Als das Festival in Vilshofen so groß wurde, dass es logistisch nicht mehr zu stemmen war “ Damals gab es in Vilshofen noch nicht mal ein Hotel“ , zog es donauaufwärts nach Straubing.

„Musikfans sollten nicht extra nach München oder Frankfurt fahren müssen, um große Künstler zu hören“, so die damalige Intention seines Vaters, sagt der Junior. Die Musik sollte aufs Land kommen. Eines Tages reisten gar Superstars wie James Brown nach Niederbayern: „Das war Wahnsinn. James Brown hat mehr als drei Stunden gespielt. Dem hat es so gefallen, der wollte von der Bühne nicht mehr runter.“

Viele Musiker rufen heute von sich aus bei den Hubers an, weil sie gerne bei „Bluetone“ dabei sein wollen. Das Festival hat sich einen Namen gemacht. Klein, aber fein. Ansonsten wähle er Künstler aus, die eine neue CD auf den Markt gebracht haben, die gerade in Europa auf Tournee seien und die von den Gagen her noch irgendwie bezahlen ließen, sagt Huber junior. „Die Künstler mögen die gemütliche Atmosphäre und schotten sich bewusst nicht ab.“ Und so kann es in Straubing im Juli durchaus passieren, dass in der Eisdiele nebenan Bandleader Xavier Naidoo auftaucht, im Hotel Soulstar Seal eincheckt und auf dem Stadtplatz plötzlich Weltstar B.B. King vor einem steht.

„Da erlebt man die skurrilsten Sachen“, sagt Huber, und erinnert sich etwa an Diana Ross, die auf einer Limousine bestand, in der sie liegend transportiert werden konnte. An Nigel Kennedy, der nach einem komplett weißen Hotelzimmer ohne Blumen verlangte. Oder an Diane Reeves, die riesige Schrankkoffer mit Kostümen antransportieren ließ, und es dann so gemütlich fand, dass sie einfach in Jeans und T-Shirt auf die Bühne kam.

Die Organisation des Festivals beschäftige inzwischen die ganze Familie das ganze Jahr über, erzählt Ralph Huber. Ohne die Unterstützung von Freunden und bis zu 150 ehrenamtlichen Helfern ginge es gar nicht. Im Prinzip sei das Festival ein FulltimeJob. Da müsse das eigentliche Geschäft bisweilen zurückstecken. Der 46Jährige ist hauptberuflich Textileinzelhändler und bei „Bluetone“ vorwiegend für die Buchung der Künstler und die Logistik vor Ort verantwortlich. Sein Vater aquiriert mit hartnäckigem Charme die Sponsoren. Ein Geschäft machen sie mit dem Festival nicht: Sollten nicht genug Tickets verkauft werden, haften sie gar für die Kosten.

„Für die Amis ist das Bierzelt als Konzerthalle meist ein Kulturschock. Aber dann gefällt es ihnen“, sagt Huber. So auch der 2010 gestorbene Solomon Burke. Der schwergewichtige Superstar bedankte sich 2008 mit einem legendären Auftritt, von dem der „FAZ“Kritiker schwärmte, es sei kein normales Soulkonzert gewesen, sondern ein „königlicher Soulgottesdienst“. Die Begeisterung von Künstlern und Fans ist für die Hubers die größte Belohnung. Weitere 25 Jahre sollen es werden.