Irgendwo zwischen Mississippi und Lombardei

14.07.2012 | Straubinger Tagblatt | Stefan Rimek

Trombone Shorty in Höchstform – Mario Biondi und „Incognito“ mit einer Deutschland-Premiere

Der zweite Tag des „Bluetone“-Festivals war der Tag der Brass-Power. Die Power fing schon mit der „Soul Rebels Brass Band“ an, die den Abend um 18.30 Uhr eröffnete. Mit knackigen Bläsersätzen und Grooves, die den alten New-Orleans-Style mit Elementen des zeitgenössischen Hip Hop in Verbindung brachten, gelang es dem Oktett eine fesselnd eigenständige Atmosphäre zu erzeugen.

Dann betrat der große Star des italienischen Jazz die Bühne: Mario Biondi. Und schon bei den ersten Tönen seiner sonoren und souligen Bass-Stimme fühlte man sich irgendwo zwischen Mississippi und Lombardei versetzt und genoss nur noch das Flair, das dieser begnadete und ausdrucksstarke Jazzsänger ausstrahlt. Biondi ist mit nichts zu vergleichen, seine außergewöhnliche Stimme und sein unvergleichliches Phrasing sind markante Erkennungsmerkmale, die seinen Alleinstellungsanspruch begründen.

Aber auch die acht Instrumentalisten seiner „Italian Jazz Players“ ragen aus dem Gewöhnlichen deutlich heraus. So vernahm man bekannte Standards wie „I can’t keep from crying somethimes“ oder „My Girl“ in verblüffend eigenständig jazzigem Gewand. Der Blues „I can’t keep from crying somethimes“ besitzt in Biondi Modern-Bop-Version immense Ausdruckskraft.

Mit der elfköpfigen Formation „Incognito“ folgte Biondi der nächste Höhepunkt dieses Freitags. Denn die Band um den Gitarristen Jean Paul Maunik konnte durch Perfektion und musikalisches Gefühl gleichermaßen beeindrucken und so wurden ihre Soul-, Funk- und Fusion-Nummern zu echten Klangerlebnissen. Anteil daran hatten alle Mitglieder der Gruppe. Die knackigen und äußerst exakt umgesetzen Bläsersetze paarten sich hier mit dem mitreißenden Groove der Rhythmusgruppe und einem bis zu dreistimmigen Gesang, der vorbildlich intonationsrein über die Bühne kam. Zudem warteten die einzelnen Instrumentalisten durch souveräne Soli auf. Unter den Händen von „Incognito“ und durch die Bläsersätze bekam auch Tim Bendzkos Hit „Nur noch kurz die Welt retten“ – hier die Lead-Stimme gesungen vom deutschen Sänger Mo Brandis – einen unglaublichen Drive.

Zum Schluss des „Incognito“-Auftritts kam es noch zu einer kleinen Deutschland-Premiere, denn noch einmal kam Mario Biondi auf die Bühne, um mit „Incognito“ „This is what you are“ zu interpretieren. herausgekommen ist dabei ein Klangerlebnis erster Klasse.

Ab 23.30 Uhr stand dann Trombone Shorty mit seiner Formation „Orleans Avenue“ auf der Bühne und was soll man über diesen im löblichsten Sinne „Bläser-Wahnsinnigen“ noch sagen. In Straubing lief er zur Höchstform auf und zelebrierte seinen unglaublich treibenden Brass-Metal bis in die Ekstase. Trombone Shorty – der neben der Posaune wie gewöhnlich auch sang und Trompete spielte – und seine Band mit Tim McFatter am Tenorsaxophon, Dan Oesterreicher am Bariton-Sax, Joey Peebles am Schlagzeug, Mike Ballard am Bass Dwayne Williams an der Perkussion und Pete Murano an der Gittarre powerten eine Nummer nach der anderen mit brachialer Energie in die dreieinhalbtausend Besucher, die wild tanzend ihre Stimmung kundtaten.

Gitarrist Murano präsentierte Soli, bei denen sich so mancher Metal-Gitarrist eine Scheibe abschneiden hätte können und Shorty hielt dann schon mal über einem Ostinato-Thema der Rhythmusgruppe einen Triller auf der Trompete in Zirkulations-Atemtechnik über drei Minuten lang, als ob das nichts wäre. Mit der Posaune und der Trompete erzählte und schrie er Geschichten ins Publikum, die an Ausdruck, Originalität und leidenschaftlicher Musikalität kaum zu übertreffen sind.

Trotz aller Power fand er dann aber auch zwischendurch zurück zu den Wurzeln des Jazz und schmetterte auf der Trompete den zur minimalistischen Besetzung von anfangs nur Gitarre im alten New-Orleans-Style den Dauerbrenner „On the Sunny Side of the Street“.
Trombone Shortys Auftritt komplettierte einen beeindruckenden Freitagabend, der die kraftvollen und mitreißenden Seiten des Jazz und Fusion so richtig zur Geltung brachte.