Schöner gebären mit Zaz

13.07.2012 | Passauer Neue Presse | Raimund Meisenberger

Die 32jährige Französin verhilft dem in „Bluetone“ umbenannten Festival „Jazz an der Donau“ zu einer umwerfenden Geburtsstunde ? Mit musikalischen Abstrichen

Jeden Sommer setzte die Jazzpolizei das Blaulicht aufs Dach und moserte: Viel zu wenig Jazz bei „Jazz an der Donau“! Nach 25 Jahren hat die Unternehmerfamilie Huber aus Vilshofen reagiert, die erfolgreiche Marke verabschiedet und die stilistische Offenheit ihres Festivals in einen bedeutungsoffenen neuen Namen gefasst: „Bluetone ? Das Festival an der Donau“.

Sie will nicht Chanson retten, sie will mehr

Mit der bitteren und erwartbaren Konsequenz, dass das Publikum zunächst einmal mosert: „Bluetone? Was soll das denn sein?“ Und vor Aufregung nicht bemerkt, dass das Programm exakt so jazzig bunt ist wie die Jahre zuvor. Einziger Weg: Der Name muss mit Bedeutung aufgeladen werden, erst die Erinnerung an heiße Konzerte werden ihn strahlen lassen. Konzerte wie dieses zum Auftakt des 26. Jahrgangs.

Konzerte von Künstlern wie Zaz ? das 32jährige Fräuleinwunder aus dem französischen Tours, die YouTubeStraßenmusikerin, die Göre mit den provinziell überschminkten Augen, die in Straubing schwarzes Kleid mit SchlabberSporthose und baren Füßen kombiniert. Die neue Edith Piaf gar? Zaz, bürgerlich Isabelle Geffroy, genügt das lange nicht.

Sie ist nicht angetreten, den Chanson zu retten. Sie will ihn ? und sich ? auf die ganz große Bühne heben. Ein Popstar sein. Und sie tut alles, was dafür nötig ist: Musikalisch bringt sie zwar auch den entspannten BistroSound ihrer DebütCD mit Kontrabass, GypsyGitarre und Akkordeon in die LiveShow, doch geht sie auch weit darüber hinaus und kleidet die eigenen und althergebrachten Chansons hier in ein ReggaeGewand, setzt sie dort auf eine FunkSchiene mit hartem SlapEBass, hüllt sie ab und an in so bügelfreie wie konturlose PopArrangements, huldigt den Pointer Sisters mit einer verjazzten und notgedrungen nach unten oktavierten Version von „I’m So Excited“ und schaltet am Ende des Konzerts die Verzerrer ein, um ein HardrockFinale mit Schlagzeuggewitter und grellen Lichtblitzen hinzulegen.

Die Inszenierung des Abends sagt deutlich: Seht her, ich kann mehr als gefällige Chansons! Kann sie natürlich. Können andere auch. Chanson aber kann Zaz wie vielleicht niemand sonst auf der Welt: Die ruhigen, aber hochemotionalen Nummern „Dans Ma Rue“ und „Éblouie Par La Nuit“ sind die stärksten des Abends. Weil sie diese unfassbare Gnadenstimme am besten in Szene setzen: eine Stimme, die raunt, leidet, bricht, lockt, verführt, mal in sich ruht, mal lodert und nachbrennt und vor allem immer direkten Draht zum Herzen hat. Zaz scheint nicht in der Lage, einen Ton ausdruckslos zu singen. Alles hat emotionalen Wert, sie muss nichts dafür tun.

Dabei hat die Sängerin gar nicht ihren stärksten Tag. Von der ersten Nummer an ? „Les Passants“ wie auf CD ? ist Zaz recht bescheiden bei Stimme, etwas dumpf, angestrengt, heiser, unsauber in den Höhen. Umso erstaunlicher, wie sie nach einer Stunde immer freier und größer klingt. Technisch gewinnt Zaz ja gerade dadurch, dass sie forciert. Ökonomisch ist das nicht. Sie lebt von der Substanz ? davon hat sie allerdings einiges.

Ein Paket, prallvoll mit Energie

Nach 20 Minuten ist die Frau nassgeschwitzt, so sehr verausgabt sie sich an Stimme und Körper. Ein Paket, prallvoll mit Energie, exaltiert, strahlend, selbstbewusst, positiv, massiv in Bewegung. Zaz rennt und hopst und wirbelt und grinst vor Freude über das grandiose Niveau ihrer Band. Natürlich hat diese Quirligkeit Konsequenzen für den Atem, für die Stimme, für den Charakter der Songs. Sie macht die rund 3000 Gäste auf ihre Weise glücklich, lässt sie als Backgroundchor singen, stachelt sie an zum Mithopsen, dass die Bolzbohlen nur so wackeln, und bringt sie endgültig zum Kreischen mit Ihrem Überhit „Je Veux“.

Wenn heute einer fragt: Bluetone? Was soll das denn sein? Dann werden einige sagen: Das ist doch dieses coole Festival in Niederbayern. Da hat Zaz gespielt ? und wie! Glückwunsch, Familie Huber, die Neugeburt ist gelungen.