SenZAZioneller Bluetone-Auftakt

13.07.2012 | Mittelbayerische Zeitung | Micha Matthes

Straubing. Wir befinden uns im Paris der 30er Jahre. Wir sind eine Gruppe frecher Kinder im Alter zwischen sieben und neun Jahren. Wir leben in den Straßen und haben es nicht leicht, weil es zu wenig zu essen gibt. Aber wir haben etwas, das uns niemand nehmen kann: unsere Kreativität.

Mit dieser Szene stimmt Isabelle Geoffroy, bekannt als Zaz, das BluetonePublikum auf ihren melancholischen Chanson „Dans ma rue“ ein. Sie singt ihn mit leicht rauher ÉdithPiafStimme. Genau wie der „Spatz von Paris“ hat auch Zaz auf der Straße angefangen. War das Geld knapp, sang sie im Pariser Künstlerviertel Montmartre an Straßenecken.

Von der Straße zum Superstar

Vor drei Jahren dann der Senkrechtstart zum Superstar. Munter und ruhelos wie eine Straßenmusikerin ist sie aber noch immer. „Gebt mir ein Zimmer im Hotel Ritz, ich will es nicht, Schmuck von Chanel, ich will ihn nicht“. Zusammen mit über 3000 Fans singt die temperamentvolle Französin in Straubing ihren Hit „Je veux“. Das Ü30Publikum tanzt, die Holzbohlen des Zeltbodens schwingen dauerhaft.

Nicht mehr stillhalten wollten die Festivalbesucher schon beim ersten Act des Abends. Mit heißen Rhythmen heizten Da Cruz ab 17.30 Uhr ordentlich ein, sodass im Zelt von der kalten Schlechtwetterfront draußen nichts mehr zu spüren war. Auch Soulbonbon Stéphan Rizon hatte mit seiner TomJonesStimme das Publikum für den Auftritt der Pariser Powerfrau in Stimmung gebracht.

Als Zaz dann um 21 Uhr auf die Bühne springt, steckt sie alle mit ihrer Lebenslust an: „Ich will Liebe, Freude, guten Humor“. Die Füße mit den hellbeigen Turnschuhen stehen nie still. Die luftig geschnittenen schwarzen Hosen mit orangeroten Streifen flattern unablässig in der Luft. Darüber: ein einfaches schwarzes Sommerkleid. Die Frisur ein wilder Zopf. Das Strahlen der blauen Augen wird vom Lidschatten verstärkt, um den Hals hängt ein Halbedelstein in der gleichen Farbe. Es ist der Look einer französischen Straßenmusikerin.

Mal stimmt die Band Jazzmusik an, die an NouvelleVagueKrimis aus den 60er Jahren erinnert, und Zaz scattet dazu, mal schwebt ihre Stimme über dem GypsyJazzBeat einer DjangoReinhardtVariante von „Ni Oui Ni Non“. Ist der Liedtext zu Ende, greift die GuteLauneSängerin immer wieder zur Lufttrompete: Mit der hohlen Hand am Mund erzeugt sie den Klang einer PartyTröte oder eines bloßen Trompetenmundstücks. Die Melodie wird weitergesummt. Passend, als wäre der Songtext nur für Zaz geschrieben worden, präsentiert sie eine SwingVersion des PointerSistersHits „I’m so excited“. Unabhängig vom Genre spürt man bei jeder Strophe die Freude am Singen. Die 32jährige ist in ihrem Element, lächelt und lacht ununterbrochen. Ihre überwältigende Stimme setzt sie mit außergewöhnlicher Leichtigkeit virtuos ein. Die meisten ihrer Songs kommen leichtfüßig daher wie springende Kinder bei einem Straßenspiel.

Zaz singt mit jeder Körperfaser

In einem Moment gibt sie sich supersüß und unschuldig, im Nächsten räkelt sie sich wild auf dem Boden zu elektrisch verzerrten Gitarrensounds schreiend. „Vergesst doch all eure Klischees, willkommen in meiner Welt“, singt Zaz, während sie wie ein Kugelblitz über die Bühne flitzt. Ein Techniker, der den Mikrofonständer fortträgt, bekommt einen angedeuteten Tritt in den Hintern. Bei „Le Long De La Route“ springt sie aufs Podest des Drummers, schnappt sich ein zusätzliches Paar Drumsticks und drischt damit auf die Becken ein.

Mit unwiderstehlichem Charme und Humor dirigiert sie Band und Publikum. Die „Oh“und „Ah“Zwischenrufe für „Nioui ni non“ sollen punktgenau und energisch kommen. Am Ende ist sie heiser und verschwitzt. Für ihre große Liebe hat sie alles gegeben. Das Leben ist ein Chanson. Zaz singt ihn mit jeder Faser ihres Körpers.